Was bedeutet Abrechnungsbetrug?
Fehlerhafte Abrechnungen erfolgen selbstverständlich nicht immer in betrügerischer Absicht; häufig handelt es sich auch um Flüchtigkeitsfehler. Beim Abrechnungsbetrug werden jedoch absichtlich oder billigend falsche medizinische Leistungen gegenüber den Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) oder den Patienten abgerechnet. Dazu gehören Leistungen, die nie erbracht wurden (Luftabrechnungen) sowie Leistungen, die doppelt oder in der falschen Leistungskategorie bzw. unter falschem Datum abgerechnet wurden.
Beispiele:
- Abrechnung nicht oder nicht vollständig erbrachter Leistungen
- Vor- oder Rückdatierung
- Abrechnung unzureichender, nicht zweckmäßiger und unwirtschaftlicher Leistungen
- Verteilung der Leistung auf mehrere Personen
- Falschdeklaration, d. h. Abrechnung einer anderen als die erbrachte Leistung
- Fehlende Berücksichtigung von Zuwendungen
- Überschreitung des Gebührenrahmens
- Abrechnung nicht persönlich erbrachter Leistungen
- Verstoß gegen vertragsärztliche Vorschriften
Aber nicht jede falsche Abrechnung ist Abrechnungsbetrug
Kein Abrechnungsbetrug liegt möglicherweise bei diesen Merkmalen vor, die im Einzelfall geprüft und bewertet werden müssen:
- Fehlender Vermögensschaden
Durch den Betrug muss ein Vermögensschaden entstanden sein, um eine Strafbarkeit zu generieren. Daran fehlt es beispielsweise, wenn zwar eine falsche Leistung abgerechnet wurde, diese jedoch günstiger als die tatsächlich erbrachte Leistung ist.
- Unvollendeter Abrechnungsbetrug
Das Strafrecht sieht die Möglichkeit des Rücktritts vor: Dazu muss der Betrüger den Abrechnungsbetrug rechtzeitig beenden und darauf hinwirken, dass kein Schaden entsteht. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn zwar eine Falschabrechnung erstellt, diese aber rechtzeitig zurückgenommen bzw. berichtigt wurde. Welche Konsequenzen dies hat (Strafmilderung oder Straffreiheit), muss im Einzelfall entschieden werden.
- Fehlender Vorsatz
Abrechnungsbetrug setzt eine vorsätzliche Falschabrechnung voraus. Ein Vorsatz besteht auch, wenn eine Rechnung als falsch erkannt, aber trotzdem verschickt wird (Eventualvorsatz).
- Verjährung
Die Verjährungsfrist für Betrug beträgt grundsätzlich fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Danach darf die Tat nicht mehr verfolgt oder bestraft werden, sofern die Verjährung nicht unterbrochen wurde.
Wer kann falsche Abrechnungen erstellen?
Abrechnungsbetrug ist u. a. durch Ärzte, Therapeuten, Pflegepersonal oder Apotheker möglich, findet aber auch in Krankenhäusern statt. Da Privatpatienten selbst mit ihrer Krankenkasse abrechnen, können auch sie fingierte Abrechnungen erstellen.
Grundsätzlich betrifft der Abrechnungsbetrug gesetzlich und privat versicherte Patienten gleichermaßen, wobei die Leistungen bei Kassenpatienten weniger transparent sind. Phantom-Diagnosen und unberechtigte Rechnungsposten werden größtenteils eher zufällig erkannt. Häufig ist das der Fall, wenn eine Versichertenauskunft der Krankenkasse angefordert wird.
Welche Konsequenzen drohen bei Abrechnungsbetrug?
Mit vorsätzlich falschen Abrechnungen macht sich der Leistungserbringer wegen Betruges gemäß § 263 StGB strafbar. Der Gesetzgeber sieht dafür Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von max. fünf Jahren vor. Liegt ein gewerbsmäßiger oder besonders schwerer Betrug vor (ab einer erlangten Geldsumme von ca. 50.000 EUR), kann die Freiheitsstrafe auf bis zu 10 Jahren verlängert werden.
Dazu drohen der Verlust der Approbation, der Entzug der Kassenzulassung und ein Berufsverbot. Die Ärzte- oder Apothekerkammer kann nach einer Verurteilung eine Geldbuße erheben und eine Verwarnung oder einen Verweis aussprechen.
Die zu Unrecht erhaltenen Gelder werden zurückgefordert und die entsprechenden Honorarbescheide durch die Krankenkassen aufgehoben.
Was bedeutet der Abrechnungsbetrug für Patienten und Krankenkassen?
Unter den betrügerischen Maßnahmen leidet das gesamte Gesundheitssystem. Die immensen Verluste müssen auf die Krankenversichertenumgelegt werden, was steigende Beiträge bedeutet. Für den Einzelnen kann es jedoch noch gravierendere Konsequenzen haben.
- Wer beispielsweise eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen oder sich privat versichern will, scheitert oft an den frei erfundenen Diagnosen oder muss aufgrund des vermeintlich höheren Risikos mit Beitragssteigerungen rechnen.
- Möchten Versicherte ihre bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch nehmen, stoßen sie häufig auf unerwarteten Widerstand. Wenn der Versicherer Grund zur Annahme hat, die versicherte Person habe ihre Vorerkrankungen nicht korrekt angegeben, verweigert er die vertragliche Leistung.
- Patienten, die in ihrem Beruf regelmäßig ihren Gesundheitszustand nachweisen müssen, können erhebliche Einbußen erleiden, wenn vermeintlich lebensbedrohende Erkrankungen oder Panikattacken diagnostiziert werden. Unangenehm können Phantom-Diagnosen auch für Beamtenanwärter werden.
Wie können Patienten solche Überraschungen vermeiden?
Jeder Patient hat das Recht, seine Patientenakte einzusehen oder eine Versichertenauskunft bei der Krankenkasse anzufordern, was häufig auch elektronisch möglich ist. Um unliebsamen Überraschungen aus dem Weg zu gehen, empfiehlt es sich, dies regelmäßig zu tun. Privatversicherte sollten die Rechnungen ihres Behandlers genau prüfen.
Wenn Sie falsche Diagnosen oder Abrechnungspositionen erkennen, suchen Sie sich anwaltlichen Rat, am besten noch bevor Sie dies reklamieren. Wir setzen Ihr Recht durch und verhindern weiteren Schaden für Sie.