Kreditinstitute profitieren von einseitiger Zinsanpassung
In den Vertragsbedingungen bestimmter Finanzprodukte wurden unzulässige Klauseln verwendet. Dadurch erhielten die Kunden zu wenig Zinsen. Betroffene haben nun Anspruch auf eine rückwirkende Zinsgutschrift, die bis zu mehreren Tausend Euro betragen kann. Voraussetzung ist, dass der jeweilige Vertrag eine nach dem BGH rechtswidrige Zinsanpassungsklausel enthält.
Betroffen sind u. a. langfristige Sparverträge mit variablem Zinssatz aus den 1990er- und 2000er-Jahren. Außerdem finden sich die Klauseln in Riester-Banksparplänen oder Sparbüchern mit separater Zinsvereinbarung.
Die Verträge laufen je nach Kreditinstitut beispielsweiseunter den Bezeichnungen:
- Bonusplan
- Prämiensparen flexibel
- Scala
- Vermögensplan
- VorsorgePlus
- Vorsorgeplan
- Vorsorgesparen
- VRZukunft
Weshalb ist die variable Verzinsung unzulässig?
Bei den überwiegenden Verträgen setzt sich die Verzinsung aus zwei Komponenten zusammen:
- Variabler Grundzins, mit dem das Guthaben pro Jahr verzinst wird und der vom Kreditinstitut an die allgemeine Marktentwicklung angepasst werden kann.
- Bonus (Prämie), der umso höher ist, je länger ein Sparvertrag läuft. Er wird in der Regel dem Sparkonto gutgeschrieben.
Ein variabler Grundzins bei Sparverträgen ist nicht unüblich. Die Zinsentwicklung muss jedoch transparent sein, insbesondere bei Verträgen mit langer Laufzeit. Denn bei solchen Finanzprodukten haben Kunden kaum die Chance, ein besser verzinstes Angebot zu finden und anzunehmen.
Zinsänderungen dürfen für Kunden nicht unkalkulierbar sein
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits am 06.10.2021 (Az.: XI ZR234/20) festgestellt:
- Unwirksam sind Zinsanpassungsklauseln in Sparverträgen mit variablem Zinssatz, wenn die Zinsänderungen für den Verbraucher unkalkulierbar sind. Die kontoführende Bank oder Sparkasse darf einen Zinssatz nicht beliebig anpassen.
- Beteiligte Kreditinstitute müssen die Zinsen anhand des dafür festgelegten Referenzzinssatzes für jeden Monat der Laufzeit nachberechnen. Dabei ist das anfängliche Verhältnis zwischen Vertrags- und Referenzzins beizubehalten.
- Die aufgrund der Nachberechnung zu erstattenden Zinsen werden am Laufzeitende des Vertrages fällig.
Die Verjährungsfrist beginnt erst mit Laufzeitende
Auch in den Musterfeststellungsverfahren der Verbraucherzentrale Sachsen und des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die Ostsächsische Sparkasse Dresden und die Saalesparkasse Halle entschied der BGH zugunsten der Sparer (Az.: XI ZR 461/20, XI ZR 310/20, XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23).
Die Richter hatten klargestellt, dass die Verjährungsfrist für Zinsnachzahlungen erst am Ende des Jahres beginnt, in dem der Sparvertrag beendet wird bzw. worden ist. Daher seien auch viele bereits ausgezahlte Verträge betroffen. Es bestehe ein Anspruch auf rückwirkende Neuberechnung der Zinsen bis 1994.
BGH legt fest, welcher Referenzzins heranzuziehen ist
Auch die Unklarheiten zum Referenzzins für die Nachberechnung sind behoben. Der BGH hatte die Musterfeststellungsklage an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen, um dort über den Referenzwert zu entscheiden. Bereits in anderen Musterfeststellungsklagen hatten die Oberlandesgerichte (OLG) Dresden und Naumburg die Grundlage für die Nachberechnung der Zinsen festgelegt. Entscheidend dafür seien die Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WU9554). Dagegen wurde Revision eingelegt.
Der BGH beurteilte die Ermittlungsmethode der Oberlandesgerichte jedoch als interessengerecht, sofern die vertragliche Zinsklausel dazu keine anderweitige Information enthalte (Az. XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23). Damit ist der auf diese Weise ermittelte Zinssatz für Banken und Sparkassen bei allen Neuberechnungen bindend.
Was bedeutet die Entscheidung des BGH für Sie als Sparer?
Der Bundesgerichtshof hat am 09.07.2024 zugunsten der Sparer entschieden. Banken und Sparkassen müssen die Zinsen aller betroffenen Sparverträge nachberechnen. Nachdem auch über den Referenzzins entschieden wurde, können sich die Kreditinstitute einer Nachberechnung nicht mehr verweigern. Ein Urteil, das Vorteile für unzählige Kunden mit sich bringt; immerhin gab es im Jahr 2021 noch 1,1 Millionen aktive Prämiensparverträge.
Lassen Sie sich die Rückzahlung nicht entgehen!
Die Verbraucherzentralen gehen von durchschnittlich 1.000 bis 2.000 EUR Nachzahlung pro Kunde aus. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass der entsprechende Vertrag eine rechtswidrige Zinsanpassungsklausel enthält. Das ist nicht immer einfach zu erkennen. Es empfiehlt sich daher, die erfahrenen Fachanwälte unserer Verbraucherkanzlei mit der Prüfung zu beauftragen, auch wenn der Vertrag bereits gekündigt wurde. Wir ermitteln die Ihnen zustehende Nachzahlung und kämpfen für Ihr Recht.