Sorgen Rad-Kennzeichen für mehr Sicherheit?
Radfahrer provozieren Verkehrsunfälle oder verursachen Personen- oder Sachschäden, können aber mangels „Nummernschild“ meist nicht belangt werden. So oder so ähnlich liest sich die Ausgangsbasis der Befürworter einer Kennzeichnungspflicht. Aufgrund steigender Unfallzahlen scheint der Schritt zur Kennzeichnung von Fahrrädern und E-Bikes unverzichtbar zu sein, weshalb die Diskussion immer wieder aufflammt.
Trotz vieler guter Argumente hat sich die Kennzeichnung bisher allerdings nirgends dauerhaft etabliert.
In der Schweiz führte man das Velokennzeichen schon früh ein
Die Schweiz war der ganzen Welt einen Schritt voraus, genau genommen mehr als ein Jahrhundert. Denn schon ab 1890 gaben die ersten Kantone eigene und immer wieder modifizierte Veloschilder (Velo = Fahrrad) aus. Erst ab 1989 wurde aus Kostengründen die selbstklebende und einheitliche Vignette eingeführt.
Ohne Velonummer durfte kein Fahrrad auf die Straße. Zweck der Kennzeichnung war nämlich die damit erworbene Haftpflichtversicherung. Durch die fortlaufende Nummer auf den Schildern, die Velonummer, konnte ein Fahrer identifiziert werden. Im Schadensfall sprang dann die Haftpflichtversicherung ein. Kritiker hielten dagegen, dass nahezu jeder Velofahrer (ca. 90 %) ohnehin über eine private Haftpflichtversicherung verfügte. Der administrative Aufwand für die Ausgabe der Vignetten stünde daher in keinem Verhältnis zum Nutzen.
2010 wurde durch den Nationalrat entschieden, die Ausgabe der Velovignette ersatzlos einzustellen. Das gilt jedoch nicht für schnelle E-Bikes (bis 45 km/h), für die immer noch eine Jahresvignette verpflichtend ist. Wird diese nicht jährlich erneuert, kostet es 120 Franken Buße und man verliert den Haftpflichtschutz.
Bürokratische Hürden und hohe Kosten hemmen die Einführung in Deutschland
Die bürokratischen Hürden sind auch hierzulande nicht von der Hand zu weisen. Immerhin gibt es in Deutschland ca. 84 Millionen Fahrräder und E-Bikes. Da sich die Kennzeichnung nicht auf den Halter, sondern auf ein Zweirad bezieht, müsste jedes einzelne Fahrrad oder E-Bike angemeldet werden. Wechselt der Besitzer, stünde eine Ummeldung an. Ein Aufwand, für den es keine ausreichend dimensionierte Behörde gäbe.
Ein weiteres Hindernis wäre auch die Größe und Befestigung der Kennzeichen an den unterschiedlichen Radmodellen. Zudem bestünde bei gekennzeichneten Fahrrädern und E-Bikes das Problem, dass diese aktuell auf den meisten Waldwegen nicht gefahren werden dürfen.
Fahrradwirtschaft könnte unter Kennzeichnung leiden
Mit der Einführung einer Kennzeichnungspflicht riskiert man laut Experten auch eine abnehmende Nachfrage nach Fahrrädern, ähnlich den S-Pedelecs bis 45 km/h. Da diese als Kleinkraftrad eingestuft sind und ein Versicherungskennzeichen, eine Haftpflichtversicherung und eine Fahrerlaubnis erfordern, ist die Nachfrage hierzulande sehr gering.
Wäre die Fahrerlaubnispflicht für Radfahrer eine Alternative? In Deutschland steht überwiegend der Fahrer eines Fahrzeugs in der Haftung, nicht der Halter. Mit dem Fahrradkennzeichen wäre nur der Halter identifizierbar. Eine mögliche Lösung des Problems wäre eine Art Fahrerlaubnis für Radfahrer, die allerdings Erwachsene und Kinder gleichermaßen erhalten müssten.
Alternative: Sichere Radwegenetze
Gegen die Kennzeichnungspflicht sprechen viele Gründe. Einige Radfahrer sehen allerdings auch Vorteile darin. Sie fühlen sich nicht gleichwertig gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, da sie im Gegensatz zu Auto-, Motorrad- oder Mofafahrern anonym im Straßenverkehr unterwegs sind. Sie fühlten sich mit einem Kennzeichen oder einer Vignette akzeptierter und damit auch verantwortungsbewusster gegenüber anderen.
Die Gegner lehnen es dagegen ab, sich mit Bürokratie rund um ihr Fahrrad oder E-Bike zu belasten. Sie halten stattdessen eine Verbesserung der Verkehrssituation für vorrangig. Mit dem Ausbau der Radwegenetze würden viele gefährliche Situationen mit Autos und Fußgängern vermieden. Idealerweise sollten dafür zumindest die Hauptstraßen mit 2 m breiten Fahrradstreifen und eigener Ampelschaltung ausgestattet werden, wie es schon in einigen wenigen Städten (z. B. Heidelberg oder Münster) ansatzweise umgesetzt wurde.
Die Entschärfung der Gefahrenstellen an Kreuzungen, Fußgängerüberwegen oder Bürgersteigen wäre nach ihrer Meinung der kostspieligen Rad-Kennzeichnung für 84.000.000 Fahrräder und E-Bikes vorzuziehen.
Geeignete Privathaftpflichtversicherung unverzichtbar
Ob mit oder ohne Rad-Kennzeichen sollten Radfahrer in jedem Fall eine Privathaftpflichtversicherung abschließen, die das Risiko eines Verkehrsunfalls, von Personenschäden und sonstigen Schäden absichert. Um den Versicherungsschutz gar nicht erst in Anspruch zu nehmen, ist es ratsam, sich an die Verkehrsregeln zu halten und Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer zunehmen.