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Klage gegen Beitragserhöhung: Keine Angst vor Repressalien der PKV

Versicherungsrecht
10/10/23
8
Min. Lesezeit
Crop Kollegen Händeschütteln Im Büro
Wir werden häufig von PKV-Versicherten kontaktiert, die sich gegen ständig steigende Beiträge Ihrer privaten Krankenversicherung gerichtlich zur Wehr setzen wollen, aber aus Angst vor Repressalien Ihrer privaten Krankenversicherung hiervor zurückschrecken. Häufige Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden, sollen daher nachfolgend näher beleuchtet werden.

Krankenversicherer erstattet Leistungen wie vor Klageerhebung

Thomas S. (63 Jahre alt), Versicherungsnehmer in der PKV

„Ich habe Angst davor, dass meine Versicherung mir nach Klageerhebung keine Leistungen mehr im Krankheitsfall erstattet. In meinem Alter kann ich mir eine Auseinandersetzung mit meiner privaten Krankenversicherung nicht erlauben, falls durch das Klageverfahren Nachteile zu befürchten sind. Ich bin auf die Leistungen meiner privaten Krankenversicherung angewiesen.“

Antwort:

Ihre private Krankenversicherung ist gesetzlich verpflichtet, Sie gegenüber anderen Versicherten Ihres Tarifs leistungstechnisch gleich zu behandeln. Diese Pflicht ergibt sich aus § 146 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 138 Abs. 2 VAG und gilt sowohl für die Prämienhöhe als auch für die durch Ihre private Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen.

Gemäß § 138 Abs. 2 VAG – über die Verweisungsvorschriften der §§ 146 Abs. 2S. 1 VAG, 147 VAG auch in der privaten Krankenversicherung anwendbar - dürfen „bei gleichen Voraussetzungen Prämien und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden.“

Gleiche Voraussetzungen im Sinne dieser Vorschrift bestehen - vereinfacht ausgedrückt - für sämtliche in Ihrem Tarif versicherte Personen. Hierbei ist unerheblich, ob einzelne Personen im Tarif ein Klageverfahren gegen den Versicherer führen, andere hingegen nicht, denn dieser Umstand ist in Bezug auf die zu gewährenden Leistungen als auch in Bezug auf die Prämie irrelevant.

Der Leistungsumfang Ihrer privaten Krankenversicherung richtet sich ausschließlich nach den tarifbezogenen Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen. Hiernach ist für die Kostenerstattungspflicht des Versicherers dem Grunde nach entscheidend, ob und inwieweit es sich bei den erfolgten Behandlungen um medizinisch notwendige Heilbehandlungen handelt. Soweit dies der Fall ist, erfolgt Kostenerstattung im vertraglich vereinbarten Umfang.

Entsprechendes gilt für die Prämienkalkulation. Diese erfolgt bezogen auf das Kollektiv unter Berücksichtigung der gesamten Beobachtungseinheit nach den gesetzlich vereinheitlichten Kalkulationsvorgaben der „Verordnung betreffend die Aufsicht über die Geschäftstätigkeit in der privaten Krankenversicherung“ (vgl. § 10 der sog. KVAV) unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Eintrittsalters.

Unter einer Beobachtungseinheit ist das Kollektiv der im Tarif Versicherten unter Ausblendung von Kindern und Jugendlichen, die eine eigene Beobachtungseinheit bilden, zu verstehen. Für sogenannte Bisex-Tarife wird nochmals zwischen dem Kollektiv der Männer und der Frauen als eigenen Beobachtungseinheiten differenziert.

Ihre Versicherung kann daher im Ergebnis nicht Ihre Prämie erhöhen, nur weil Sie ein Klageverfahren gegen Ihre Versicherung anstrengen. Genau so wenig sind Ihrer Versicherung Leistungsversagungen aufgrund eines Klageverfahrens möglich.

Sollte Ihre private Krankenversicherung dies dennoch tun, würde Sie sich aufsichtsrechtlich belangbar machen, da eine solche Verhaltensweise einen klaren Verstoß gegen versicherungsaufsichtsrechtliche Gleichbehandlungspflichten darstellen würde. In diesem Fall drohen dem Versicherer nach Anzeige des Verstoßes bei BaFin schmerzhafte Sanktionen. Diese können bis zum Verlust der Erlaubnis zum Versicherungsbetrieb reichen.

Unsere Kanzlei betreut rund 40.000 Mandanten zum Thema Absenkung der Beiträge in der PKV und uns ist kein einziger Fall bekannt, in dem die Versicherung aufgrund der Klage Ihr Leistungsverhalten geändert hat.

Falls Sie ungeachtet dessen im Laufe des Klageverfahrens den Verdacht schöpfen sollten, dass Ihre Versicherung weniger Leistungen auskehrt als zuvor, besteht die Möglichkeit, über ein Auskunftsersuchen entsprechende Vorgänge einer Überprüfung zu unterziehen. Teils folgen Auskunftsrechte aus dem Versicherungsvertragsgesetz selbst (vgl. § 202 VVG), teils aus den Vorschriften der DSGVO.

Kündigung durch PKV wegen Beitragsrückforderung gesetzlich ausgeschlossen

Inge T (47 Jahre alt),Versicherungsnehmerin in der PKV

„Ich will nicht gegen meine Versicherung vorgehen, weil ich dann wahrscheinlich gekündigt werden würde. Das kann ich mir nicht leisten. Bei einem neuen Versicherer würden meine Beiträge aufgrund des höheren Eintrittsalters dann noch höher ausfallen.“

Antwort:

Inges Befürchtungen sind zwar nachvollziehbar, aber unzutreffend.

In der pflichtigen Krankenversicherung sind Kündigungen eines Versicherers gem. § 206 Abs. 1 S. 1 VVG gesetzlich ausgeschlossen.

Diese gesetzliche Vorgabe hängt damit zusammen, dass der Gesetzgeber sich in Deutschland dazu entschlossen hat, das Bestehen einer Krankenversicherung für sämtliche Bürger mit Wohnsitz in Deutschland verpflichtend zu machen. Diese Pflicht ist in § 193 Abs. 3 S. 1 VVG kodifiziert worden. Entsprechende Verstöße hiergegen werden mit Strafen in Form eines Prämienzuschlags gem. § 193 Abs. 4VVG sanktioniert, der erhoben wird, sobald sich die versicherungslose Person um neuen Versicherungsschutz bemüht.

Im Umkehrschluss ist Versicherern untersagt, pflichtige Krankenversicherungsverträge zu kündigen, damit Versicherungsnehmer nicht wider Willens versicherungslos werden.

Auch soweit Ihr Versicherungsschutz über den pflichtigen Teil hinausgeht, müssen Sie jedoch keine Kündigung befürchten. Hierfür sorgen die §§ 206 Abs. 1S. 2, 3 VVG. Hiernach sind für substitutive Krankheitskosten,- Krankentagegeld-und Pflegekrankengeldversicherungen sowie für neben einer Krankheitskostenversicherung bestehende Krankenhaustagegeldversicherungen ordentliche Kündigungen durch den Versicherer ausgeschlossen.

Ein Klageverfahren bietet dem Versicherer hingegen kein außerordentliches Kündigungsrecht.

Nur in absoluten Ausnahmefällen ist dem Versicherer eine ordentliche Kündigung ermöglicht, hierbei aber nur binnen der ersten drei Jahre nach Abschluss des maßgeblichen Tarifs. Später ist auch in diesen Ausnahmefällen eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen.

Es handelt es sich um folgende Konstellationen, in denen dem Versicherer binnen der ersten drei Jahre eine Kündigung ermöglicht ist:

1. Abschluss einer isolierten Krankenhaustagegeldversicherung ohne gleichzeitig bestehende konventionelle Krankenversicherung beim Versicherer (vgl. § 206 Abs. 1 S. 3 VVG)

2. Abschluss einer Krankentagegeldversicherung, für die auch bei unterstellter Angestelltentätigkeit kein Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers bestünde (§ 206 Abs. 1 S. 4 VVG)

3. Abschluss einer Krankheitskostenteilversicherung (sehr selten)

An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass es sich um absolute Ausnahmekonstellationen handelt.

Auf 95 % der Versicherten treffen diese Ausnahmefälle nicht zu. Falls Sie sich gleichwohl unsicher sind, ob eine der Konstellationen auf Sie zutrifft, bleibt zu beachten, dass gem. § 206 Abs. 1 S. 4 VVG bzw. § 206 Abs. 2 S. 1 VVG nach Ablauf von drei Jahren auch hier eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Sie müssen im Ergebnis also keine Angst vor einer Kündigung haben. Bei verbleibenden Unsicherheiten nehmen wir gerne eine Prüfung auf Grundlage ihres derzeitigen Versicherungsscheins vor.

 

Rechtsschutzversicherer und Krankenversicherer sind niemals identisch

Michael A. (69 Jahre alt), Versicherungsnehmer in der PKV:

„Leider kommt für mich ein Klageverfahren nicht in Betracht, da ich bei der gleichen Versicherung sowohl krankenversichert als auch rechtsschutzversichert bin. Daher würde meine Rechtsschutzversicherung ein Verfahren gegen sich selbst“ ohnehin nicht decken. Ein Verfahren als Selbstzahler ist mir hingegen zu riskant.“

Antwort:

Michael hat aufgrund der mit einem Gerichtsverfahren stets einhergehenden hohen Kostenrisiken berechtigte Bedenken daran, ein Verfahren gegen seine private Krankenversicherung als Selbstzahler zu verfolgen.

Allerdings beruht seine Annahme, dass eine Deckung des Verfahrens nicht erfolgen könne, wenn der PKV-Versicherer gleichzeitig auch sein Rechtsschutzversicherer sei, auf einem Fehlverständnis.

Rechtsschutzversicherer und Krankenversicherer sind nämlich niemals identisch. Dies gebietet bereits das aufsichtsrechtliche Gebot der Spartentrennung gem. § 8 Abs. 4 S. 2 VAG. Hiernach können Krankenversicherungsunternehmen nicht auch andere Versicherungssparten betreiben.

Flankierend hat der Gesetzgeber in § 164 Abs. 1 VAG geregelt, dass beim Betreiben anderer Versicherungssparten als der Rechtsschutzversicherung die Leistungsbearbeitung der Rechtsschutzversicherung an ein anderes Unternehmen auszugliedern ist, um Interessenkollisionen zu vermeiden.

Es wird also gesetzlich an mehreren Stellen sichergestellt, dass eine Rechtschutzversicherung keine übergreifenden Entscheidungen zum Vorteil einer anderen Versicherungssparte des Hauses vornehmen darf.

Möglich ist zwar, dass Rechtsschutzversicherung und Krankenversicherung demselben Konzernverbund angehören.

Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um komplett unabhängige juristische Personen handelt, die über eine verselbständigte Organisation verfügen und daher auch gänzlich unabhängig voneinander operieren und agieren.

Eine Unterschiedlichbehandlung können wir nach unseren Erfahrungswertenebenfalls nicht feststellen. Um Verdachtsmomente kollusiver Entscheidungen zum Nachteil des Versicherten zu entkräften, wird eine im selben Konzernverbundagierende Rechtsschutzversicherung im Zweifel eher großzügiger bei der Deckung eines Klageverfahrens agieren.

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