Was ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wird auch als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet und trat am 18.08.2006 in Kraft. Es soll u. a. Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder des Alters verhindern oder beseitigen.
Im Einzelnen bedeutet das:
Alter: Die Diskriminierung aufgrund des Alters ist verboten.
Behinderung/chronische Erkrankungen: Benachteiligt werden dürfen auch keine Person, die blind, gehörlos oder chronisch erkrankt sind bzw. als körperlich oder geistig eingeschränkt gelten.
Ethnische Herkunft und Rassismus: Niemand darf wegen der Hautfarbe, Sprache oder Herkunft gegenüber anderen Personen benachteiligt werden.
Geschlecht: Die Diskriminierung von Männern, Frauen, Transpersonen und intersexuellen Menschen ist unzulässig.
Religion und Weltanschauung: Kein Mensch darf wegen seines Glaubens oder weil er keinen Glauben hat, benachteiligt werden.
Sexuelle Identität: Diskriminierendes Verhalten aufgrund der sexuellen Identität eines anderen Menschen ist nicht erlaubt.
Was versteht man unter einem AGG-Hopper?
Mit dem Antidiskriminierungsgesetz sollte die Benachteiligung bestimmter Personengruppen verhindert werden. Das Gesetz brachte in der Tat viele Verbesserungen, animierte jedoch gleichzeitig einige Anwender zu einem neuen „Geschäftsmodell“. Mit dem sogenannten AGG-Hopping versuchen sie, aus Diskriminierungen Kapital zu schlagen.
Wenn ein Arbeitgeber beispielsweise einen „jungen dynamischen Einkäufer“ oder eine „erfahrene Sekretärin“ sucht, handelt er entgegen § 11 AGG. Wird die unpassende Bewerbung eines AGG-Hoppers dann abgelehnt, fordert dieser Entschädigung und Schadensersatz gemäß § 15 AGG. Um diskriminierende Stellenanzeigen zu finden, die zwangsläufig zur Ablehnung führen, suchen AGG-Hopper systematisch nach bestimmten Stichwörtern (Sekretärin, weiblich, jung, unerfahren etc.).
Die Entschädigung kann bis zu drei Monatsgehälter betragen und nicht selten kommen mehrere Gründe für den Schadensersatz zusammen, z. B. Geschlechter- und Altersdiskriminierung.
Versicherung sucht Einsteiger und lehnt erfahrenen Juristen ab
Eine deutsche Versicherung hatte im Jahr 2009 eine Nachwuchs-Stelle als Trainee ausgeschrieben. Gesucht wurde ein Hochschulabsolvent, möglichst ohne Berufserfahrung. Juristische Bewerber sollten jedoch arbeitsrechtliche oder medizinische Kenntnisse mitbringen. Der 1973 geborene Bewerber gab an, Rechtsanwalt zu sein und als ehemals leitender Angestellter über Führungserfahrung zu verfügen. Die Versicherung lehnte seine Bewerbung ab.
Der abgelehnte Jurist verklagte das Unternehmen auf 14.000 EUR Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Seine Forderung ergänzte er später um einen weiteren Klagepunkt, nämlich den der Geschlechterdiskriminierung. Er hatte inzwischen erfahren, dass trotz der Bewerbungen mehrerer Männer alle vier ausgeschriebenen Positionen mit weiblichen Bewerbern besetzt wurden. Für die vermeintliche Geschlechterdiskriminierung verlangte er eine zusätzliche Entschädigung von 3.500 EUR.
Die Klage erreichte nach Ablehnung durch das AG Wiesbaden und das Hessische LAG das Bundesarbeitsgericht (BAG). Dessen Richter gingen davon aus, dass der Jurist sich nur zwecks Forderung einer Entschädigung beworben habe. Sie baten den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Klärung, ob eine formale Bewerbung ausreiche, um den unionsrechtlichen Schutz geltend zumachen.
EuGH und BAG: Scheinbewerber können sich nicht auf das AGG berufen
Nachdem das AGG immer wieder für Entschädigungsforderungen missbraucht wurde, stellten die Richter des EuGH auf Vorlage des BAG klar, dass sich Scheinbewerber nicht auf die gut gemeinten Regeln des AGG berufen können (EuGH, 28.07.2016, Rechtssache C-423/15; BAG, 18.Juni 2015, Az. 8 AZR 848/13). Der gesetzliche Schutz vor Benachteiligung bestünde nur für ernsthafte Bewerber.
Personen, die sich bewusst auf unpassende Stellen bewerben, könnten sich nicht auf § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG berufen und Entschädigungszahlungen einfordern. Denn in dieser Vorschrift heißt es: „Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis ...“. Damit sei eindeutig festgestellt, dass Scheinbewerber, die gar kein Interesse an einem Beschäftigungsverhältnis hätten, nicht unter das Gesetz fallen.
AGG-Hopper sind weiterhin aktiv
Trotz der Urteile von EuGH und BAG animiert das Antidiskriminierungsgesetz immer wieder Nachahmer zum AGG-Hopping.
Ein 1994 geborener Fernstudent bewarb sich ebenfalls regelmäßig auf geschlechterdiskriminierende Jobannoncen, in denen nur weibliche Bewerber angesprochen waren. Sobald die Unternehmen ablehnten, forderte er eine Entschädigung gemäß § 15 AGG. Das lehnte ein Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen jedoch ab. Der abgewiesene Bewerber klagte.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) erkannte das systematische und zielgerichtete Vorgehen. Hilfreich dabei war eine Auflistung der Beklagten mit zahlreichen vom Kläger angestrengten AGG-Verfahren in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. In allen Fällen verwendete der Klägerin seiner Bewerbung unübliche Formulierungen mit Rechtschreibfehlern und reichte die geforderten Unterlagen nicht ein, um einem möglichen Interesse seitens der Arbeitgeber vorzubeugen.
Die Richter erkannten auf Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB (05.12.2023,Az. 6 Sa 896/23) und lehnten die Klage ab.