Bußgeld wegen Rotlichtverstoß: Radfahrerin wehrt sich gerichtlich
Eine Radfahrerin, die über fünf Minuten an einer Kreuzung in Hamburg vor einer roten Ampel wartete, überquerte die Ampel schließlich in der Rotphase. Die Ampel wurde mithilfe einer Induktionsschleife gesteuert. Die Radfahrerin ging davon aus, dass die Erkennung defekt war und sie als Radfahrerin von der Ampel nicht als Verkehrsteilnehmerin wahrgenommen worden war. Somit ging sie davon aus, dass die Ampel gar nicht mehr auf Grün springen würde. Beim Überqueren der roten Ampel wurde sie aber erwischt – und sollte dann ein Bußgeld von über 100 Euro zahlen. Dagegen wehrte sie sich in zweiter Instanz vor dem Hanseatischen OLG.
AG Hamburg-Blankenese verhängte Bußgeld wegen Rotlichtverstoß
Das Amtsgericht (AG) Hamburg-Blankenese verhängte ein Bußgeld von 100 Euro gegen die Radfahrerin wegen des Überquerens der roten Ampel. In der Begründung hieß es, es handele sich um einen vorsätzlichen, qualifizierten Rotlichtverstoß, da die Ampel nicht defekt gewesen sei. Die Annahme, die Ampel sei defekt gewesen, ändere nichts an den Umständen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Radfahrerin bei anhaltender Rotphase hätte absteigen können und stattdessen die Fußgängerampel hätte nutzen können.
Ähnlich gelagerter Fall eines Autofahrers
Ähnlich hatte ein anderes Amtsgericht bereits im Fall eines Autofahrers geurteilt, der in dem Glauben, eine Ampel sei defekt, die Rotphase nicht abgewartet hatte. Hier wurde ebenfalls ein Bußgeld verhängt, aber ein Fahrverbot wurde nicht ausgesprochen (AG Dortmund, Urteil v. 04.02.2017, Az.: 729 OWi 9/17).
Hanseatisches OLG hebt Urteil auf: Kein vorsätzlicher Rotlichtverstoß der Radfahrerin
Im Fall der Radfahrerin wurde die Entscheidung vor dem Hanseatischen OLG in zweiter Instanz neu aufgerollt. Das Hanseatische OLG kam im Gegensatz zum AG Hamburg-Blankenese zudem Schluss, dass es sich um einen Tatbestandsirrtum handelte und daher kein vorsätzlicher, qualifizierter Rotlichtverstoß begangen worden war (Beschl. v. 11.09.2023, Az. 5 ORbs 25/23).
In der Begründung der Aufhebung des Urteils des AG Hamburg-Blankenese wurde aufgeführt, dass ein rechtlich relevanter Tatbestandsirrtum vorgelegen habe. Laut §16 (1) StGB handelt nicht rechtswidrig, „wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt“. Der Radfahrerin war nicht bewusst, dass die Ampel nicht defekt war. Folglich sei ein vorsätzliches Handeln der Radfahrerin ausgeschlossen. Das Hanseatische OLG sah außerdem die Möglichkeit der Radfahrerin abzusteigen und die Fußgängerampel zu nutzen nicht als Alternative an. Da Radfahrer regelmäßig Teilnehmer des fahrenden Verkehrs sind und keine „qualifizierten“ Fußgänger, könne Radfahrern nicht zugemutet werden unabhängig von den geltenden straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen immer wieder neu zu entscheiden, wann sie als Fußgänger und wann als Radfahrer am Verkehr teilnehmen sollen.
Folgen der Entscheidung des Hanseatischen OLGs
Das Hanseatische OLG verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das AG Hamburg-Blankenese zurück und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Zu klären blieb an dieser Stelle, ob ein fahrlässiger Rotlichtverstoß vorliegen könne. Dies würde voraussetzen, dass die Ampel nicht defekt war und die falsche Annahme der Radfahrerin bezüglich des Defekts auf Fahrlässigkeit beruhte.