Tinder-App hat den Markt der Datingportale verändert
Die Erfolgsgeschichte der Datingportale begann 1996 in den USA. Zwei Jahre später entdeckte man den Bedarf auch in Deutschland. Die Folge war ein rasch wachsender Markt mit immer mehr Angeboten. Bald gelang es nur noch wenigen neuen Anbietern, sich gegen die etablierten Portale durchzusetzen. Junge Erwachsene fanden den Weg zu Dating-Communitys in den Anfangsjahren ohnehin selten. Das änderte sich 2012, als das Unternehmen Match.com die Dating-App „Tinder“ entwickelte.
Die innovative Wisch-App veränderte die bisher meist belächelte Partnersuche im Netz. Dabei entwickelte sich „Tindern“ nicht nur zu einem anerkannten Verb der deutschen Sprache, sondern auch zum spielerischen Spaß mit Freunden und Kollegen. Die Swipe-App (swipen = wischen auf dem Smartphone) versprach schnelle Erfolge auf unterhaltsame Art.
Partnersuche ist heute Online-Suche
Ein Erfolg versprechendes Konzept. Immerhin hat die Stanford University ermittelt, dass die Hälfte aller Singles in den USA Dating-Apps zur Partnersuche nutzen. Auch in Deutschland haben ca. 77 Prozent der 16- bis 29-jährigen Internetnutzer schon einmal online gedatet. Unter den 30-bis 49-Jährigen waren es immer noch 66 Prozent, von den über 65-Jährigen ein knappes Viertel (statista.de).
Sammelklage: Tinder nutze süchtig-machende Mechanismen
Dating-Apps gehören mittlerweile zum Alltag. Schließlich hat es seinen Reiz, die große Liebe spielerisch per Smartphone zu finden. Das Konzept der beliebten Wisch-Apps hat allerdings auch Kritiker. Einige davon haben sich nun zu einer Sammelklage vor einem US-Gericht in San Francisco, Nordkalifornien, zusammengetan. Der Vorwurf: Tinder und andere Dating-Apps nutzten süchtig-machende Mechanismen, die zu einem zwanghaften Gebrauch führten. Potenzielle Einschränkungen, wenn Nutzer nicht regelmäßig aktiv seien, sowie Push-Nachrichten nötigten die Anwender nach Meinung der Kläger regelrecht, eine App zu öffnen und zu swipen. Zusammengefasst sei es weniger das Ziel des Anbieters, Suchende zusammenzubringen, als die Lust am Suchen aufrechtzuerhalten.
Personalisierte Preise verstoßen gegen das EU-Verbraucherrecht
Ein Vorwurf, der bereits im Zusammenhang mit TikTok erhoben wurde. Ebenso wie das soziale Netzwerk ist auch eine Partner-App auf ihre Nutzer angewiesen. Im besten Fall zahlen Singles sogar dafür, bessere Matches und mehr Features zu erhalten, z. B. mit dem Premiumabo „Tinder-Platin“. Nutzer unter 28 Jahren zahlen dafür aktuell pro Monat 8,96 EUR und pro Jahr 53,77 EUR. Für Nutzer über 28 Jahre fällt monatlich ein Beitrag von 30,99 EUR und jährlich von 174,96 EUR an. Darüber hinaus lockt Tinder mit kostenlosen „Boots“ und zusätzlichen „Super-Likes“, wenn der Nutzer in besonderer Weise tätig wird. Das animiert Partnersuchende dazu, immer weiter aktiv zu sein.
Eine Studie des schwedischen Verbraucherverbands deckte zudem 2022 auf, dass Tinder häufig personalisierte Preise verlangte. Darüber wurden Betroffene jedoch nicht informiert. Eine Praxis, die gegen das EU-Verbraucherrecht verstößt. Tinder hat sich inzwischen verpflichtet, seine Kunden künftig besser über individuelle Angebote zu informieren.
Das Swipe-Prinzip trifft den Nerv der Zeit
Obwohl die Apps mit solchen Mechanismen arbeiten, ist die Faszination ungebrochen. Vor allem das schnelle Swipe-Prinzip scheint eine enorme Anziehungskraft auszuüben. Wenn der Kandidat nicht passt, genügt ein Wisch nachlinks; ist das Profil dagegen attraktiv, wird aus dem Wisch nach rechts direkt ein Datingangebot. Eine umständliche und zeitraubende E-Mail erübrigt sich.
Nutzer, die sich verifizieren, haben beim Tindern eine deutlich höhere Swipe-Rate. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich in der App der lang gesuchte Partner findet. Eine Faszination mit Suchtgefahr. Je mehr Matches, umso größer ist der Belohnungseffekt im Gehirn. Wer einmal anfängt, hört meist so schnell nicht mehr auf. Schließlich will niemand die große Chance verpassen. Ein Effekt, den man auch vom Glücksspiel kennt.