Grob respektloses Verhalten am Fahrzeug des Kollegen
Der Kläger war seit dem 05.02.2018 als Maurer bei der Beklagten beschäftigt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe am 09.08.2022 die Fahrzeugtür am abgestellten Transporter eines Kollegen geöffnet, seine Hose heruntergelassen und augenscheinlich in das Fahrzeug urinieren wollen. Zudem habe er seine Genitalien gegen die Fahrzeugtür, den Sitz und die Armaturen gerieben. Er beendete die Handlungen nach Ansicht des Unternehmens nur, weil er beobachtet wurde.
Mitarbeiter begründet die Aktion mit Spaß unter Kollegen
Der Kläger bestätigte, dass er die Tür des Firmenfahrzeugs geöffnet habe. Er erklärte, dass er so getan habe, als ob er die Hose öffnen und in das Fahrzeug urinieren wollte. Es sei jedoch nur Spaß gewesen, was die zuschauenden drei Kollegen auch sehr belustigt habe. Tatsächlich habe er weder die Hose geöffnet oder seine Genitalien am Sitz gerieben noch das Fahrzeug beschmutzen wollen. Das sei auf dem Video, das vom Arbeitgeber vorgelegt wurde, auch ersichtlich. Die Aktion sei in keiner Weise gegen den Besitzer des Fahrzeugs oder den Arbeitgeber gerichtet gewesen.
Arbeitgeber kündigt fristlos
Der Geschäftsführer verwies den Mitarbeiter sofort des Firmengeländes, als er von dem Vorfall erfuhr. Das Unternehmen stufte das Fehlverhalten des Klägers als außerordentlich respektlos ein und kündigte ihm am 23.08.2022 fristlos.
Die Erklärungen des Mitarbeiters, der auf die Aufnahmen der vor Ort installierten Kamera verwies, überzeugten den Arbeitgeber nicht. Ein Kollege habe schließlich den Transporter vor dem Wiederbenutzen erst reinigen müssen, weil der Kläger seine Genitalien daran gerieben habe. Das Verhalten sei inakzeptabel und rechtfertige eine fristlose Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung.
Kammer befragt Zeugen und sichtet Video des Unternehmens
Der gekündigte Mitarbeiter wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage vom 26.08.2022. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und mangels Abmahnung unwirksam.
Die Kammer befragte die drei Kollegen, die während der Handlungen zuschauten, und prüfte die Aufzeichnungen der Überwachungskamera.
Demnach ergibt sich folgender Ablauf:
- Der Kläger hatte sich bei einem der Zeugen in respektloser Weise erkundigt, ob der gerade beladene Transporter dem Kollegen gehöre.
- Als der Zeuge dies bestätigte, habe der Kläger die Transportertür geöffnet, seine Genitalien entblößt und diese in das Getränkefach der Fahrertür hängen lassen. Dies wurde von Zeugen bestätigt.
- Zudem habe er akustisch und mit seiner Körperhaltung das Urinieren nachgestellt, aber nicht ausgeführt.
Damit folgte die Kammer den Schilderungen insbesondere eines Zeugen, den sie für glaubwürdig hält. Zudem passe seine Aussage zu den Aufnahmen der Videokamera.
Die Tatsache, dass der Kläger sich entblößt und die Fahrertürinnenseite mit seinen Genitalien berührt habe, stehe für die Richter zweifelsfrei fest. Dabei sei es irrelevant, ob die Hose ganz oder nur teilweise heruntergezogen wurde.
Arbeitsgericht Weiden beurteilt Verhalten als grob respektlos und ekelerregend
Die Richter stuften das Verhalten des Mitarbeiters als grob respektlos, beleidigend und hinsichtlich der Handlungen am Fahrzeug als ekelerregend ein. Er habe seine Kollegen absichtlich in die Rolle der Zeugen einer niveaulosen Aktion gezwungen. Zudem habe er den vertretenden Mitarbeiter, der den Transporter danach fahren sollte, in eine unangenehme Situation gebracht. Dieser musste das Fahrzeug erst desinfizieren, bevor er die Fahrt übernehmen konnte. Im Ergebnis sei dies eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen und gesetzlichen Pflichten. Der Arbeitgeber könne erwarten, dass die Beschäftigten respektvoll miteinander umgingen und Firmenfahrzeuge nicht verunreinigten.
Die Kollegen wurden außerdem durch die entblößten Genitalien und die Aktivitäten an der Fahrzeugtür sexuell belästigt (§ 3 AGG). Ihr Recht auf Selbstbestimmung sei schon deshalb verletzt worden, da der Kläger sie nicht gefragt habe, ob sie ihn entblößt erleben wollten. Die sexuelle Belästigung alleine rechtfertige eine Kündigung des Mitarbeiters. Schließlich sei der Arbeitgeber verpflichtet, Beschäftigte mit angemessenen Maßnahmen vor solchen Situationen zu schützen.
Bei der Beurteilung der Handlungen komme es im Übrigen nicht darauf an, wie der Kläger selbst sein Verhalten verstanden wissen wolle.
Fristlose Kündigung ist jedoch nicht gerechtfertigt
Nach Abwägung aller Fakten und Zeugenaussagen sahen die Richter des Arbeitsgerichts Weiden i. d. Oberpfalz die Kündigung ohne Abmahnung als gerechtfertigt an. Der Kläger habe seinen Arbeitsplatz durch sein niveauloses Handeln aufs Spiel gesetzt. Allerdings sei dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09.2022 zumutbar gewesen. Immerhin konnte der Hauptvorwurf, der gekündigte Mitarbeiter habe in das Fahrzeug urinieren wollen, nicht bewiesen werden. Außerdem sei der Kläger bereits mehr als 4 Jahre beanstandungsfrei im Unternehmen beschäftigt gewesen.
Aus diesen Gründen stellte das Arbeitsgericht abschließend fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten nicht fristlos, sondern erst zum 30.09.2022 aufgelöst worden ist. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen und eine Berufung nicht zugelassen (13.03.2023 Az. 3 Ca 556/22).