Leiblicher oder rechtlicher Vater?
Durchgesetzt hatte sich der leibliche Vater eines dreijährigen Jungen, dessen Beziehung zu seiner Partnerin kurz nach der Geburt des Kindes endete. Dennoch hatte er sich um ständigen Kontakt zu dem Kind bemüht. Um wichtige Mitspracherechte zu erlangen, wie z. B. im Rahmen eines gemeinsamen Sorgerechts wollte er auch als rechtlicher Vater anerkannt werden. Die Kindsmutter unterstützte sein Vorhaben nicht und blieb den entsprechenden Terminen vor dem Standesamt fern.
Sie hatte einen neuen Partner, der mit ihrer Zustimmung die Vaterschaft des Kindes anerkannte. Damit nahm er nun die Stellung als rechtlicher Vater ein, die der leibliche Vater angestrebt hatte. Grundlage dafür ist § 1592 Nr. 2 BGB: „Vater eines Kindes ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat …“. Dem leiblichen Vater blieb nichts anderes übrig, als die rechtliche Vaterschaft des neuen Partners der Kindsmutter anzufechten.
Ein schwieriges Unterfangen, denn der Gesetzgeber bietet kaum Spielraum dafür (§§ 1600 ff BGB). Eine Anfechtung ist nur möglich, wenn im „maßgeblichen Zeitpunkt“ keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater bestand. Wann dieser Zeitpunkt war, bestimmt der Gesetzgeber nicht. Genau das ist aber die entscheidende Frage in der Verfassungsbeschwerde des leiblichen Vaters.
AG Halle stimmt dem leiblichen Vater zu, OLG Naumburg widerspricht
In erster Instanz hatte der Kindsvater Erfolg, da das AG Halle (Saale) keinen Zweifel daran hatte, dass er die Verantwortung für seinen Sohn übernehmen wolle. Es sei zweifelhaft, ob im Zeitpunkt der letzten Anhörung eine Beziehung zum inzwischen anerkannten rechtlichen Vater bestanden habe. Dem leiblichen Vater dürfe nicht die rechtliche Vaterschaft verwehrt bleiben, nur weil diese zwischenzeitlich von einem neuen Partner anerkannt worden sei (AG Halle, 05.08.2021, Az. 26 F 1064/20AB).
Die Kindsmutter und der rechtliche Vater legten Beschwerden beim Oberlandesgericht (OLG) Naumburg ein. Dabei verwiesen sie auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Dessen Richter hielten die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft für unbegründet, wenn bei Abschluss des Verfahrens eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind existierte. Das gelte auch, wenn diese Beziehung bei Antragsstellung noch nicht bestanden hatte.
Dieser Entscheidung schloss sich das OLG Naumburg im vorliegenden Fall an und wies den Antrag des leiblichen Vaters als unbegründet ab (OLG Naumburg, 05.08.2021, Az. 8 UF 95/21). Dabei räumte der Senat jedoch ein, dass ein leiblicher Vater aufgrund der aktuellen gesetzlichen Regelung keine Möglichkeit habe, die rechtliche Vaterstellung für sein Kind einzunehmen.
Leiblicher Vater reicht Verfassungsbeschwerde ein
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wollte der leibliche Vater in der letzten Instanz erreichen, dass die Entscheidung des OLG aufgehoben wird. Das Urteil greife in sein nach Art. 6 Abs. 2 GG verankertes Recht als leiblicher Vater ein, auch die rechtliche Vaterschaft übernehmen zu dürfen. Er habe in seiner Vaterrolle alles unternommen, was möglich sei, um als rechtlicher Vater anerkannt zu werden. Zudem sei er verpflichtet, das Kind vor einem einseitigen Bestimmungsrecht der Mutter zu schützen, argumentiert der Kläger in seiner Verfassungsbeschwerde.
BVerfG: Das Elterngrundrecht ist durch den Gesetzgeber neu auszugestalten
Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde des leiblichen Vaters in weiten Teilen stattgegeben. Die Richter stellten fest, dass das Elterngrundrecht neu ausgestaltet werden müsse (BVerfG, 09.04.2024,Az. 1 BvR 2017/21).
Das bisherige Recht genüge deshalb nicht, weil es weder seine Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft noch die sozial-familiäre Beziehung zwischen ihm und dem Kind in die Entscheidung mit einbeziehe. Es sei sicherzustellen, dass die Übernahme der rechtlichen Elternschaft auch für einen leiblichen Vater möglich sei.
Bis zur Neuregelung bleibt der § 1600 Abs. 2,3 S. 1 BGB (Anfechtungsberechtigte) in Kraft, längstens aber bis zum 30.06.2025.