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Duschen und Umkleiden im Betrieb können zur Arbeitszeit zählen

Arbeitsrecht
23/1/24
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Das LAG Nürnberg hatte zu entscheiden, ob für Dusch- und Waschzeiten im Betrieb sowie das tägliche An- und Ausziehen der Dienstkleidung eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht.

Duschen und Umkleiden nach Dienstanweisung

Als Arbeitszeit ist nach § 2 Abs. 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen zu verstehen. Sofern nicht anderweitig geregelt, gelten Umkleide-, Wasch- und Wegezeiten grundsätzlich nicht als Arbeitszeiten.

Beschäftigte, die vom Arbeitgeber angewiesen sind, in Arbeits-oder Schutzkleidung zu arbeiten, müssen sich täglich vor und nach ihrem Dienst umziehen. Je nach Verschmutzungsgrad und Hygienevorschriften gehört zusätzlich die Körperreinigung dazu.

Fehlt eine vertragliche, tarifvertragliche oder betriebliche Regelung, gehen die Zeiten für das Reinigen und Umkleiden zulasten der Freizeit der Beschäftigten.

Mitarbeiter klagt Nachvergütung mehrerer Jahre ein

Diese Praxis wollte ein seit 2009 bei seinem Arbeitgeber beschäftigter Containermechaniker nicht hinnehmen und klagte. Der Mitarbeiter musste bei seiner Tätigkeit vorgeschriebene Schutzkleidung tragen. Zur Schutzausrüstung, die der Unternehmer zur Verfügung stellte, gehörten eine Latzhose, Handschuhe, Sicherheitsschuhe, Schutzbrille und Atemmaske. Am Ende eines Arbeitstages musste der Mitarbeiter die Kleidung bei der innerbetrieblichen Reinigung abgeben.

Umkleide- und Duschzeiten sowie die Wegezeiten von und zur Reinigung wurden nicht erfasst. Der Mitarbeiter durfte am Zeiterfassungsterminal lediglich Beginn und Ende seiner Tätigkeit entsprechend den Schichtplänen stempeln. Der Arbeitgeber hatte der Belegschaft per Aushang ausdrücklich untersagt, sich während der Arbeitszeiten zu duschen oder umzuziehen.

Der Kläger forderte die Vergütung für die aufgewendeten Wege-,Umkleide- und Duschzeiten ein.

Er ging dabei von folgenden Aufwänden pro Arbeitstag aus:

  • Weg von der Pforte zum Umkleidebereich: 10 Minuten
  • Wechsel von Privatkleidung zur Schutzkleidung: 10 Minuten
  • Weg vom Umkleidebereich zum Arbeitsplatz: 5 Minuten
  • Weg vom Arbeitsplatz zum Umkleidebereich: 5 Minuten
  • Reinigen, Duschen und Anziehen der Privatkleidung: 15 Minuten
  • Weg vom Umkleidebereich zur Pforte: 10 Minuten

In Summe entstand dem Containermechaniker nach seiner Schätzung ein Mehraufwand von 55 Min. pro Tag. Er forderte die Anerkennung als Arbeitszeit und deren Vergütung für den Zeitraum von 01/2017 bis 08/2020, insgesamt ca. 20.000 EUR.

Arbeitgeber sieht keine Erstattungspflicht

Der Arbeitgeber argumentierte, der für die Branche geltende Manteltarifvertrag kündige in § 24 den Verfall aller Ansprüche an, die nicht binnen 3 Monaten nach Entstehung geltend gemacht werden. Das Duschen sei zudem weder angewiesen noch aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich. Auch die vom Kläger angeführten Zeiten zweifelte das Unternehmen an und lehnte die Anerkennung als vergütungspflichtige Arbeitszeiten ab.

LAG Nürnberg: Umkleide-, Dusch- und Wegezeiten sind Arbeitszeiten

Die Meinung des Arbeitgebers teilte das Landesarbeitsgericht Nürnberg nicht. Das LAG beurteilte den Anspruch auf Vergütung von Umkleide-, Dusch-und Wegezeiten nach § 611 a Abs. 2 BGB.

Die Richter erkannten folgende Aufwände des Klägers an:

  • Umkleidezeiten vor und nach der Arbeit
  • Wegezeit vom Umkleidebereich zum Arbeitsplatz und zurück
  • Wegezeit nach der Arbeit zur Reinigung

Wichtig: Nicht zur Arbeitszeit zählen die Wegezeiten zwischen Pforte und Umkleidebereich und zurück bzw. zwischen Reinigung und Pforte.

Körperreinigung muss fremdnützig sein

Das LAG Nürnberg erkannte auch die Dusch- und Waschzeiten an. Die Verschmutzung durch die Arbeit übersteige die normale Verschmutzung im Privatleben deutlich. Es sei heute nicht mehr zumutbar, dass Beschäftigte verschmutzt den Arbeitsplatz verlassen müssten. Die Körperreinigung sei notwendiger Bestandteil der täglichen Arbeit des Klägers, d. h. fremdnützig und damit ebenfalls zu vergüten (§ 611 a Abs.2 BGB).

Auch Aufwände für Anprobe und Abholung der Dienstkleidung vergütungspflichtig

Zur Anerkennung von Umkleidezeiten verwies das LAG auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Die Richter hatten entschieden, dass die aufgewendeten Zeiten grundsätzlich zu vergüten sind, wenn ein Arbeitgeber das Tragen der Dienstkleidung angewiesen hat. Ebenfalls als Arbeitszeit anerkannt sind damit verbundene Tätigkeiten wie die Auswahl, Anprobe und Abholung der Berufskleidung oder von Ausrüstungsgegenständen.

Umkleide- und Wegezeiten sind demnach auch vergütungspflichtig, wenn die Kleidung besonders auffällig ist. Dazu reicht es bereits, dass der Rechtsträger oder das Unternehmen anhand eines Logos oder Schriftzugs erkannt wird (BAG, Beschluss v. 17.11.2015, 1 ABR 76/13).

Wichtig: Es besteht keine Vergütungspflicht, wenn Mitarbeiter sich trotz einer betrieblichen Umkleidemöglichkeit zu Hause umziehen oder das Umkleiden auch eigenen Interessen dient (BAG, Urteil v. 18.3.2020, 5 AZR 25/19).

Geringe Nachvergütung aufgrund verfallener Ansprüche

Die gerichtliche Schätzung der zu vergütenden Aufwände nach § 287 Abs. 2 ZPO fiel auf dieser Grundlage geringer aus als die des Klägers. Insgesamt erkannte das LAG 21 Min. pro Tag an (6.Juni 2023, Az: 7 Sa 275/22).

Nach § 24 MTV waren jedoch die Ansprüche vor Juni 2020 in Höhe von 17.779,31 Euro bereits verfallen, sodass der Arbeitgeber nur eine geringe Nachzahlung zu leisten hatte.

Am 24.08.2023 legte der Kläger beim BAG unter dem Aktenzeichen: 5 AZR 212/23 Revision ein.

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