„Sharenting“ oder die elterliche Begeisterung an Kinderfotos im Netz
Fotos der Kinder ins Netz zu stellen, ist seit der Entwicklung des Internets immer beliebter und selbstverständlicher geworden. Soziale Medien sind längst fester Bestandteil im familiären Alltag. Insbesondere die Plattformen Instagram, Facebook und TikTok profitieren davon. Sie speichern und teilen jährlich Tausende von Kinderfotos und -videos. Was in der Regel ohne Hintergedanken erfolgt, kann gravierende Konsequenzen für den präsentierten Nachwuchs haben. Speziell die Aufnahmen unbekleideter Kinder, beispielsweise als Babys, am Planschbecken oder im Badezimmer, erzeugen schnell ungewolltes Interesse im Bereich der Pädophilie.
Kinder sollten daher besonders geschützt werden. Weit gefehlt, denn das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) geht von ca. 4 Millionen Aufnahmen und anderen Informationen über Kinder im Netz aus. Der erste Zahn, die erste Schultüte, das erste Fahrrad, Kinder beim Essen, beim Stillen, beim Schlafen, beim Spielen - kaum etwas verbergen Eltern vor der Öffentlichkeit. Ein Phänomen, das inzwischen unter der Bezeichnung „Sharenting“ bekannt ist, einem zusammengesetzten Kunstwort aus „Share“ und „Parenting“.
Einmal im Internet, immer im Internet
Die Gründe für das „Sharenting“ sind vielfältig: Während die einen einfach stolz auf ihre Kinder sind, wollen die anderen damit Geld verdienen. In jedem Fall gilt: Wer darüber nachdenkt, Abbildungen seiner Kinder ins Netz zu stellen, sollte sich bewusst sein, dass das Internet nicht vergisst. Es ist nahezu unmöglich, einmal geteilte Aufnahmen aus dem Netz zu entfernen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber vor die Veröffentlichung von Kinderfotos die Einwilligung der Eltern gestellt. Die Zustimmung eines Elternteils genügt jedoch nicht, es müssen beide sorgeberechtigten Eltern einwilligen. Das gilt auch, wenn sie getrennt leben.
Können Kinder die fehlende elterliche Zustimmung ersetzen?
Wenn die Zustimmung eines sorgeberechtigten Elternteils fehlt, kann diese durch die Einwilligung der fotografierten Kinder nicht ersetzt werden. Sie gelten erst ab dem 16. Lebensjahr als einwilligungsfähig.
OLG Düsseldorf: Die Weiterverbreitung von Kinderfotos im Netz ist unkontrollierbar
Im vorliegenden Fall lebten die Ehepartner getrennt, waren jedoch beide sorgeberechtigt. Der Vater hatte eine neue Lebensgefährtin, die als Friseurin einen eigenen Salon betrieb. Sie veröffentlichte mit seiner Zustimmung häufig Fotos der Kinder, die sie in ihre Social-Media-Accounts einstellte, um für ihren Friseursalon zu werben. Die Kindsmutter lehnte diese Präsentation ihrer Kinder jedoch ab und forderte die Löschung der Fotos. Zur Sicherheit sollte die Lebensgefährtin des Kindsvaters außerdem eine Unterlassungserklärung unterzeichnen. Das sah diese jedoch nicht ein und veröffentlichte stattdessen weitere Fotos der Kinder auf Facebook und Instagram.
Übertragung des Sorgerechts auf den beschützenden Elternteil
Da der Kindsvater in die Veröffentlichungen eingewilligt hatte, beantragte die Mutter in dieser Angelegenheit die Übertragung des Sorgerechts auf sie. Dem stimmten die Richter zu. Das öffentliche Teilen der Fotos habe „schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder“, führten die Richter des OLG Düsseldorf aus. Der Personenkreis, dem die Fotos auf diese Weise zugänglich gemacht würden, sei unbegrenzt und die Weiterverbreitung unkontrollierbar. Das bedeute für die Kinder, dass sie für immer mit einem unbeschränkten Personenkreis konfrontiert seien, zumal eine Löschung aller eingestellten und geteilten Abbildungen im World Wide Web nahezu unmöglich sei.
Entscheidungen mit erheblicher Bedeutung müssten stets von beiden Elternteilen gemeinsam getroffen werden. Da die Mutter nicht zugestimmt hatte, fehlte die Rechtsgrundlage für die Publikationen. Die Zustimmung der Eltern sei jedoch für jede Datenverarbeitung, die maßgeblich für die Entwicklung eines Kindes ist, erforderlich (20.07.2021, Az.: 1 UF 74/21).
Auch Kinderfotos fallen unter den Datenschutz
Die meisten Erwachsenen sichern ihre personenbezogenen Daten im Computer oder Smartphone ab, setzen Sicherheitssoftware gegen Viren und Trojaner ein und vermeiden Cookies. Erstaunlich, wie leichtfertig dagegen mit Fotos und Videoaufnahmen umgegangen wird, auf denen die Kinder erkennbar sind. Dass es sich bei einer Veröffentlichung meistens um personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) handelt, die das Persönlichkeitsrecht der Kinder berührt, wird dabei übersehen. Wobei das rein private Verarbeiten der Daten zu persönlichen oder familiären Zwecken als sogenannte „Haushaltsausnahme“ nicht der DSGVO unterliegt, z. B. die Fotos einer Familienfeier (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO).
Vorsicht bei „Haushaltsausnahmen“
Was unverfänglich zu sein scheint, birgt jedoch ebenfalls Risiken. Denn jede Abbildung kann Informationen über die Familie und Gewohnheiten, die Wohngegend, die üblichen Wege zu Kindergarten und Schule oder über Freunde preisgeben. Eltern sollten sich darüber bewusst sein, dass Aufnahmen in größerer Menge irgendwann ein Persönlichkeitsprofil des Kindes ermöglichen, wenn sie ungeschützt gespeichert und verteilt werden.
Tipp: Wer Fotos nach einer Feier zugänglich machen will, sollte hierzu einen geschützten Internet-Bereich nutzen, der nur mit einem gültigen Passwort virtuell betreten werden kann.