Bartträger interessiert sich für den Job bei einer Reinigungsfirma
Ein 36-jähriger Mann bewarb sich auf das Jobinserat einer Reinigungsfirma. Diese war auf die hygienische Reinigung von Reinräumen in Unternehmen für Tiergesundheit spezialisiert und suchte eine Reinigungskraft. Die Arbeitszeit sollte 40 Stunden pro Woche betragen und in Nachtschicht erfolgen. Weitere Bedingungen wurden in der Annonce nicht genannt.
Seine Bewerbung bewog die Personalerin, ihn zu einem persönlichen Gespräch einzuladen. In diesem Termin wurde ihm eröffnet, dass er seinen Bart abrasieren müsse, um die Stelle zu erhalten. Der Bewerber bot an, eine Bartschutzmaske zu tragen, da er den Bart nicht abnehmen wollte. Die Mitarbeiterin blieb jedoch bei der Aussage, dass man nur glattrasiert im Reinraum arbeiten dürfe. Die Reinigungsfirma habe bereits negative Erfahrungen mit Bartträgern gemacht, da die Kontaminierungsgefahr deutlich größer als bei glatter Haut sei.
Klage auf Schadensersatz wegen Geschlechterdiskriminierung
Der Bartträger wollte diese Bedingung nicht akzeptieren und wandte sich an den Vorgesetzten der Gesprächspartnerin, der die Rasurpflicht telefonisch bestätigte. Der Bewerber kontaktiere daraufhin das Tiergesundheitsunternehmen, bei dem er als Reinigungskraft eingesetzt würde. Er fragte nach, ob dort tatsächlich keine Bartträger zugelassen seien. Eine Mitarbeiterin gab ihm die Auskunft, dass auch im Reinraum viele Bartträger arbeiten würden, allerdings nur mit einer ständig aufgesetzten Bartschutzmaske. Daraufhin entschied er sich doch zur Rasur und teilte dies der Gesprächspartnerin aus dem Bewerbungsgespräch mit. Diese entgegnete, dass die beiden offenen Stellen inzwischen besetzt seien.
Der abgewiesene Bewerber reichte Klage auf Entschädigung wegen mittelbarer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts ein (§ 15 Abs. 4 AGG i. V. m. § 61 b ArbGG). Er forderte wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte Schadensersatz in Höhe von 25.000 EUR netto (= 12 Monatsgehälter). Schließlich sei die Stelle für ihn perfekt gewesen und er war fähig, diese Aufgabe zu bewältigen.
Was ist das AGG?
Das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wird auch als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet. Es soll u. a. Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder des Alters verhindern oder beseitigen. Darunter kann auch die Benachteiligung eines Mannes aufgrund des Bartwuchses fallen.
Reinigungsfirma erkennt kein Verschulden
Nach Auffassung der Beklagten sei der Bewerber nicht im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) benachteiligt worden. Es gäbe in den zu reinigenden Räumen hochsensible Laborproben, die mit Viren, Bakterien, Nahrungsmittelresten im Bart oder dort zurückgebliebenen Hautschuppen schnell kontaminiert würden. Daher stelle das Unternehmen aus hygienischen Gründen nur Reinigungskräfte ohne Bart ein. Im Übrigen schließe eine Bartmaske die Kontaminierung nicht aus und sei daher keine zufriedenstellende Lösung.
ArbG München verurteilt Beklagte zur Zahlung von 7.500 EUR
Die Richter entschieden, dass die Nichteinstellung wegen des Barts eine mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts darstelle, da Bärte überwiegend von Männern getragen würden (§§ 1, 2 AGG). Es wäre nur dann keine Benachteiligung, wenn die Rasurpflicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich wäre.
Da jedoch andere Reinigungskräfte ebenfalls Bartträger seien und zudem auch durch das Kopfhaar eine Kontaminationsgefahr bestünde, sei eine Glattrasur nicht erforderlich gewesen. Allerdings stelle die Bedingung der Beklagten keinen krassen oder eklatanten Verstoß gegen das AGG dar.
Das Arbeitsgericht entschied zugunsten des Klägers und verurteilte die Reinigungsfirma zur Zahlung von drei Bruttomonatsgehältern, d. h. zu 7.500 EUR zuzüglich Zinsen (ArbG München, 04.05.2022 Az. 42 Ca 8563/21).
LAG München bestätigt das Urteil
Die Beklagte ging in Berufung. Das angerufene Landesarbeitsgericht München bestätigte jedoch die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Berufung wurde kostenpflichtig zurückgewiesen (LAG München, 31.08.2023,Az. 8 Sa 268/22) und eine Revision nicht zugelassen.