Coaching-Anbieter lockt mit kaum haltbaren Versprechungen
Viele Arbeitnehmer und Erwerbslose spielen mit dem Gedanken, sich selbstständig zu machen und beruflich unabhängig zu werden. Der Schritt in die Selbstständigkeit wird durch Existenzgründerseminare unterstützt, die beispielsweise von der örtlichen IHK angeboten werden. Aber auch Coaching-Anbieter haben den Bedarf erkannt. Insbesondere im Internet stoßen solche Angebote auf reges Interesse. Allerdings müssen sich die Gerichte immer häufiger mit den oft kreativ gestalteten Coaching-Verträgen befassen. So auch im vorliegenden Fall.
Der arbeitssuchende Kläger war auf das Coaching-Angebot „Digital Reselling – Einkommen auf Autopilot“ aufmerksam geworden, das „binnen kürzester Zeit und ohne Vorkenntnisse ein garantiertes signifikantes passives Einkommen“ mit „110 % Erfolgsgarantie“ versprach. Dadurch aufmerksam geworden, telefonierte der Interessent mit dem Coaching-Anbieter und schloss daraufhin einen Vertrag mit diesem ab.
Checkbox animiert zum Verzicht auf das Widerrufsrecht
Der Online-Vertrag enthielt neben den nicht unerheblichen Kosten von 5.735,80 EUR eine Checkbox (Auswahlmöglichkeit) zum Widerrufsrecht. Wer in das vorgesehene Kästchen einen Haken setzte, verzichtete auf das gesetzliche Widerrufsrecht und stimmte dem sofortigen Vertragsbeginn zu. Der Berater argumentierte so geschickt, dass der Interessent schließlich dem Verzicht zustimmte. Bereits nach kurzer Zeit stellte der neu gewonnene Teilnehmer jedoch fest, dass das Coaching nicht hielt, was der Anbieter Lukas Lindler versprochen hatte. Nach der Überweisung von insgesamt ca. 1.900 EUR widerrief er den Coaching-Vertrag.
Der Coaching-Anbieter akzeptierte den Widerruf nicht. Schließlich sei der Teilnehmer als Existenzgründer kein Verbraucher mehr und habe daher kein gesetzliches Widerrufsrecht. Damit bediente sich auch dieser Anbieter einer häufig angewandten Methode, den Kunden zum Unternehmer ohne Verbraucherschutzrechte zu erklären.
LG Landshut kritisiert irreführende Checkbox im Bestellformular
Die Auffassung des Anbieters teilte das LG Landshut nicht und führte am 10.05.2024 (Az.: 54 O 305/24) sinngemäß aus:
- Aufgrund der Teilnahme an einem Existenzgründer-Coaching werde ein Verbraucher nicht zum Unternehmer. Mit dem Coaching werde die Entscheidung für oder gegen eine Selbstständigkeit lediglich vorbereitet.
- Zwischen den Vertragspartnern sei ein Fernabsatzvertrag zustande gekommen, der den Teilnehmer berechtige, den Vertrag zu widerrufen. Daran ändere auch das Anklicken der Checkbox zum Verzicht auf das Widerrufsrecht nichts.
- Zudem sei das Bestellformular nicht durch den Kunden, sondern durch den Verkäufer ausgefüllt worden.
Es stelle sich die Frage, warum eine solche Checkbox eingefügt wurde, wenn die Teilnehmer nach Aussage des Anbieters als Existenzgründer ohnehin kein Widerrufsrecht hätten. Folge man dieser Argumentation, wäre die Checkbox unter Unternehmern völlig überflüssig.
Coaching-Teilnehmer hat Anspruch auf vollständige Rückzahlung
Die Richter des LG Landshut stellten klar, dass die Ausführungen der CopeCart GmbH nicht haltbar seien. Der Kläger habe als Verbraucher durchaus ein Widerrufsrecht, daher sei der Coaching-Vertrag nichtig. Vielmehr habe er Anspruch auf Rückzahlung von 1.927,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.12.2023. Die noch ausstehenden Raten über insgesamt 3.808,00 EUR müsse der Kläger nicht begleichen.
Vorsicht vor dubiosen Coaching-Angeboten
Mit dem Urteil stärkte das LG Landshut das Widerrufsrecht von Coaching-Teilnehmern. Ein Urteil, das eine ganze Reihe von Entscheidungen über zwielichtige Coaching-Angebote ergänzt. Immer häufiger entpuppt sich das versprochene individuelle und hochwertige Coaching als Videokurs zweifelhafter Qualität ohne größeren Mehrwert für den Teilnehmer. Die persönliche Betreuung erweist sich oft als Gruppencoaching oder als Standard-E-Mail-Unterlagen.
LG Stade: Überteuertes Coaching-Angebot ist nichtig
Dabei scheuen sich die Anbieter auch nicht vor erstaunlich hohen Honoraren. Das Landgericht (LG) Stade hatte beispielsweise einen Coaching-Vertrag für nichtig erklärt, der einer Teilnehmerin 31.416 EUR abverlangte (18.08.2022, Az. 3 O 5/22). Die Gegenleistung des Coaching-Anbieters von sieben wöchentlichen Live Calls, 1:1 Calls auf Abruf, Whatsapp Support sowie Zugang zu einem Mitgliederbereich übersteige den Wert der Leistungen des Klägers um ungefähr das 10-fache, urteilten die Richter.
LG-Stuttgart: Coaching-Vertrag des Bestseller-Verlags ist sittenwidrig
Als sittenwidrig beurteilte das LG Stuttgart einen Coaching-Vertrag über 60.000 EUR, zahlbar in 12 Monatsraten, den der Bestseller-Verlag mit einem Kleinunternehmer abgeschlossen hatte. Versprochen worden war, dass dieser seinen „Umsatz um 30 % steigern“ könne. Obwohl er nach eigenen Angaben dem Coaching-Unternehmen mehrfach gesagt hatte, dass er diese Gebühren nicht begleichen könne, wurde er wiederholt telefonisch kontaktiert. Schließlich ging er am Telefon auf das Angebot ein, reichte aber später einen schriftlichen Widerruf nach. Der Coaching-Anbieter akzeptierte diesen nicht und klagte auf Zahlung.
Das LG Stuttgart entschied, die angebotene Leistung stünde in keinem vertretbaren Verhältnis zum Gegenwert von 60.000 EUR (Az.: 30 O 266/22). Das Honorar sei ebenso sittenwidrig wie die Vertriebsmethode.
Wehren Sie sich gegen übertriebene Honorare
Wenn auch Sie einen Coaching-Vertrag abgeschlossen haben, den Sie im Nachhinein widerrufen oder kündigen möchten, sprechen Sie uns an. Ob Verbraucher oder Unternehmer – unsere Experten setzen sich für Sie ein.