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LSG Niedersachsen-Bremen: Haarverlust kann bei Frauen eine Behinderung sein und ein Echthaarteil erfordern

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19/2/24
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Haarverlust
Wann stellt Haarverlust bei einer Frau eine Behinderung dar? Über diese Frage hatte das Landessozialgericht Niedersachen-Bremen zu entscheiden, nachdem eine Versicherte erfolglos die Kostenübernahme für ein Echthaarteil von ihrer Krankenkasse gefordert hatte.

Klägerin leidet unter kreisrundem Haarausfall

Viele Menschen leiden mindestens einmal im Leben unter Haarverlust. Wer sich nicht mit haarlosen Stellen oder einer Glatze zufriedengeben will, kann das Problem mit Perücken oder Haarteilen aus Kunsthaar oder Echthaar lösen. Unterschiedliche Varianten, die sich auch im Preis deutlich unterscheiden.

Diese Erfahrung machte auch eine 55-jährige Frau aus der Grafschaft Bentheim, die an Schuppenflechte litt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich dadurch kreisrunder Haarausfall. Die kahlen Stellen wollte die Betroffene mit einem Echthaarteil bedecken, da ein Haarteil aus Kunsthaar erhebliche Nachteile für sie habe. Nach dem Kostenvoranschlag eines Herstellers fielen für ein handgeknüpftes Echthaarteil 1.290 EUR an. Die Übernahme dieses Betrages beantragte sie bei ihrer Krankenkasse.

Krankenkasse lehnt die Versorgung mit Echthaar als unwirtschaftlich ab

Um den krankheitsbedingten Haarausfall zu kaschieren, bewilligte die Krankenkasse die Kosten für ein Hilfsmittel. Allerdings erkannte sie die Notwendigkeit einer Maßanfertigung eines Haarteils mit echtem Haar nicht an. Der genehmigte Höchstbetrag lag bei 511 EUR. Hierfür sei bereits eine gute Versorgung zubekommen, argumentierte die Kasse. Eine teurere Versorgung sei unwirtschaftlich, zumal sich die Versicherte überwiegend im privaten Umfeld bewege. Eine Kunsthaarperücke reiche aus, um ein unauffälliges Erscheinungsbild wiederherzustellen.

Klage auf Hilfsmittelversorgung mit Echthaar

Gegen die Entscheidung reichte die Betroffene Klage beim Sozialgericht (SG) Osnabrück ein. Sie forderte die vollständige Erstattung der Kosten für einen handgefertigten Haarersatz. Die vorgesehene Kostenübernahme lasse lediglich den Kauf eines künstlichen Haarteils zu, das nur für kurze Tragezeiten und rein modische Zwecke vorgesehen war. Das Untermaterial der Perücken bestünde überwiegend aus synthetischen Materialien und ermögliche kein dauerhaftes Tragen. Bei unbehaarter bzw. nahezu unbehaarter Kopfhaut seien diese Hilfsmittel völlig ungeeignet. Außerdem würde eine Kunsthaarperücke bei täglichem Einsatz maximal 6 Monate halten.

Das Sozialgericht (SG) Osnabrück teilte die Auffassung der Klägerin und verurteilte die Krankenkasse zur Bezahlung eines handgeknüpften Echthaarprodukts.

LSG Niedersachsen-Bremen: Maßgefertigtes Echthaarteil kann aus medizinischen Gründen erforderlich sein

Gegen das Urteil des Sozialgerichts legte die Krankenkasse Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen ein. Die Richter entschieden, dass die Begrenzung auf 511 EUR für die Versorgung mit Haarersatz rechtswidrig ist (§ 33 Abs. 1 SGB V). Aus medizinischen Gründen könne die Versorgung mit einem maßgefertigten Echthaarteil erforderlich sein:

„Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, …“.

Das Landessozialgericht verurteilte die Krankenkasse am 26.03.2019 zur Übernahme der vollen Kosten (Az. L 4 KR 50/16). In der Urteilsbegründung stellten die Richter klar, dass bei einer Frau auch ein partieller Haarverlust als Behinderung zu bewerten sei. Es sei zwar nicht Aufgabe der Krankenkasse, die Wiederherstellung des ursprünglichen Aussehens zu gewährleisten, im Einzelfall könne jedoch eine individuelle Lösung notwendig sein. Ziel der Hilfsmittelversorgung sei die Gewährleistung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Zudem habe der behandelnde Dermatologe eine vollständige Abdeckung des verbliebenen Haupthaars als ungeeignet beurteilt. Die Richter entschieden zugunsten der Klägerin, da weder Kunsthaarperücke noch Kunsthaarteil zweckmäßig seien. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Haarausfall ist nicht gleich Haarausfall

Die meisten Männer verlieren ihr Kopfhaar im Laufe des Lebens ganz oder teilweise. Der erblich bedingte Haarverlust wird beim Mann in der Regel weder als Behinderung noch als Krankheit eingestuft. Während eine Frau ohne Kopfhaar besonders auffällt, zieht der Anblick schütteren Haars oder einer Glatze bei Männern kaum noch irritierte Blicke auf sich.

Ein Anspruch auf ein Haarteil oder eine Perücke besteht bei Männern daher selten. Auch anderweitige Kopfbedeckungen wie Hüte, Mützen oder Kappen sind keine Leistungen der Krankenkassen. Es handelt sich dabei um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, die vom Versorgungsanspruch gemäß § 33 SGB V nicht umfasst werden.

Das Bundessozialgericht (BSG) macht einen Hilfsmittelanspruch u. a. abhängig von Alter und Aussehen. Fallen bei einem Mann Haare im Bereich der Augenbrauen, der Wimpern oder des Bartwuchses aus, kann es sich um eine Erkrankung handeln. Geht der Haarverlust über das übliche Maß hinaus, kann dies vor allem bei jungen Männern entstellend oder stigmatisierend wirken und einen Hilfsmittelanspruch rechtfertigen.

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