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BGH: Kosten einer Dieselklage muss die Rechtsschutzversicherung tragen

Abgasskandal
2/7/24
3
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Dieselskandal, Thermofenster, Abgasmanipulation - vor allem deutsche Autofahrer mussten sich in den letzten Jahren mit ungewohnten Begriffen auseinandersetzen. Eine Situation rund um „der Deutschen liebstes Kind“, die niemand erwartet hatte, auch die Versicherer nicht. Sie haben mit dem teuersten Schaden in der Geschichte der Rechtsschutzversicherung zu kämpfen. Dass sie dennoch die Kosten übernehmen müssen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im vorliegenden Fall.

Wohnmobilkäufer beantragt Übernahme der Klagekosten im Dieselskandal

Ein Wohnmobilbesitzer hatte 2021 bei seiner Rechtsschutzversicherung die Kostenübernahme für eine Schadensersatzklage gegen den Fahrzeughersteller beantragt. Grund war ein unzulässig verbautes „Thermofenster“ im neu erworbenen Fahrzeug. Mit der beabsichtigten Klage schloss sich der Fahrzeugbesitzer den zahlreichen Klägern an, die gegen ihre Autohersteller vorgingen und dafür ihre Rechtsschutzversicherung in Anspruch nahmen.

Die Versicherung lehnte die Übernahme der Kosten ab. Sie räumte der Klage auf Schadensersatz keine Erfolgsaussichten ein. Eine Haltung, die vor dem Jahr 2023 in Deutschland üblich war, da dem Autobauer keine Vorsätzlichkeit nachgewiesen werden konnte. Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im März 2023 wurde der Weg für Klagen im Fall eines „Thermofensters“ sowie in weiteren Ausprägungen des Dieselskandals frei.

Was versteht man unter einem „Thermofenster“?

Wohnmobile verfügen häufig über ein sogenanntes „Thermofenster“. Unter anderem wurde diese Einrichtung bei Zugmaschinen der Firma Stellantis Europe nachgewiesen, die in einem Großteil der FIAT-Wohnmobile zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um eine unzulässige temperaturabhängige Kontrollfunktion, mit der das Abgasverhalten des Fahrzeugs gesteuert wird. Steigen oder sinken die Temperaturen, ändert dies das Reinigungsverhalten, woraus sich eine Steigerung der ausgestoßenen Stickoxide ergeben kann. Trotzdem verfügte das Basisfahrzeug über eine EG-Typgenehmigung nach Maßgabe der Abgasnorm Euro 6, die in Italien vergeben wurde.

Nach einem Urteil des EuGH im Jahr 2023 haftet ein Autohersteller für verbaute „Thermofenster“, auch wenn keine betrügerische Absicht nachgewiesen werden kann (EuGH,21. März 2023 Az. C-100/22). Auf dieser Grundlage entschied der Bundesgerichtshof, dass Käufer Anspruch auf Erstattung des Differenzschadens haben. Zur Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder einer Fahrzeugstilllegung käme schließlich ein enormer Wertverlust. Voraussetzung ist, dass sie Wohnmobile mit der Abgasnorm Euro 5 oder Euro 6 besitzen. Diese müssen in den Jahren 2014 bis 2019 hergestellt und mit einem Basisfahrzeug Fiat Ducato ausgestattet worden sein (27. November 2023, Az. Via ZR 1425/22.)

Versicherter klagt Deckungsschutz ein

Der Geschädigte konnte im vorliegenden Fall die Entscheidung des Versicherungsunternehmens nicht nachvollziehen und klagte den Deckungsschutz für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen gegen die Fahrzeugherstellerin sowie die Freistellung von Kosten für die Anfertigung eines Stichentscheids ein.

Das Landgericht (LG) entschied jedoch in erster Instanz im Sinne der Versicherung. Die Klage gegen die Autoherstellerin sei zwar zulässig, aber insgesamt unbegründet.

OLG Hamm verpflichtet Versicherung zur Kostenübernahme

Der Käufer des manipulierten Wohnmobils ging in Berufung und hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass der Versicherer die Kosten einer erstinstanzlichen Klage zu übernehmen habe (12.06.2023, Az.: 6 U 22/23). Das Unternehmen sei jedoch nicht verpflichtet, auch für die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen Deckung zu gewähren.

Die Richter führten aus:

  • „Es ist jedoch für die beabsichtigte gerichtliche Geltendmachung von deliktischen Schadensersatzansprüchen gegenüber der Motor- und Fahrzeugherstellerin FCA Italy S.p.A. von hinreichenden Erfolgsaussichten nach § 3a Abs. 1 a) ARB 2016 auszugehen“
  • „Mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21.03.2023 … erscheint ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei … jedenfalls nicht unvertretbar.“

Allerdings müsse der Kläger sich die Nutzung des Fahrzeugs seit dessen Erwerb anrechnen lassen. Bei der Bemessung der Nutzungsentschädigung werde von einer maximalen Gesamtfahrleistung von 300.000 km ausgegangen. Die Höhe der Entschädigung müsse mindestens 941,11 EUR betragen.

Versicherer erkennt das Urteil des OLG Hamm nicht an

Die Rechtsschutzversicherung akzeptierte die Entscheidung der Richter des OLG Hamm nicht. Sie führte an, dass die Klage gegen die Fahrzeugherstellerin zu unbestimmt sei und der Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug des Klägers „ins Blaue hinein“ erfolge. Zudem betonte sie, dass die vom Kläger geforderte außergerichtliche Interessenwahrnehmung „gegen die Kostenminderungsobliegenheit nach § 82 VVG“ verstoße. Die Fahrzeugherstellerin sei in keinem Fall zu einer derartigen Einigung bereit.

Im Übrigen sei für die Klage ein Sachverständigengutachten erforderlich, das schon wegen Unverhältnismäßigkeit abzulehnen sei. Es müssten dafür Kosten zwischen 30.000 und 50.000 EUR aufgewendet werden, während die Höhe eines möglichen Schadens aktuell nicht ersichtlich sei.

Die Versicherung ging in Revision, die vom OLG zugelassen worden war.

BGH urteilt zugunsten des Wohnmobilkäufers

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zuerst zu klären, ob die nach der Ablehnung der Rechtsschutzversicherung (2021) erfolgte Entscheidung des EuGH zur Haftung der Autohersteller (2023) berücksichtigt werden müsse. Diese Frage beantworteten die Richter mit Ja und wiesen die Revision des Versicherers zurück. Auch spätere Änderungen in der Rechtsprechung zugunsten der Verbraucher müsse ein Versicherer in eine Entscheidung zur Kostenübernahme einfließen lassen. Ausschlaggebend seien die Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Fahrzeugherstellerin. Diese beurteilte der BGH positiv, auch wenn für das Modell kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts vorliege. Die Rechtsschutzversicherung müsse die Klagekosten tragen (Az. IV ZR 140/23).

Schadensersatz auch bei Diesel-Wohnmobilen möglich
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